„Was würde im Dorf fehlen, wenn es die Kirche nicht mehr gäbe?“
Der Tag diente dem Netzwerken, darum startete er mit einer ausführlichen Vorstellungsrunde. Dr. Annett Steinführer vom Thünen-Institut in Braunschweig lieferte den ersten Impuls. Die Soziologin der Bundeseinrichtung belegte mit eindrucksvollen Karten und Fakten, dass Formulierungen wie „Dörfer sterben“ oder „Landidylle“ an der Realität vorbeigehen. Mehrere Prozesse beeinflussen die Entwicklung ländlicher Räume. Der Umbruch im Agrarsektor ist immer noch nicht abgeschlossen, auch wenn man denkt, die Anzahl der Landwirte könne kaum noch reduziert werden. Positiv überrascht waren die meisten von der Erkenntnis, dass die Kinderbetreuung auf dem Land kein Problem darstellt. Für erwerbstätige Eltern sind entsprechende Angebote gut erreichbar. Zudem ist das Dorf heute immer mehr Teil einer Region, in der man lebt, arbeitet, einkauft. Mobilität wird zum Grundbedürfnis. Und Erfahrungen von Pendlern können bereichern, wird doch der Tellerrand des Heimatdorfes deutlich überschritten.
Der Theologe Dr. Liborius Hermann von der kath. Arbeitsstelle für missionarische Pastoral in Erfurt (KAMP) mahnte die Kirche zu einer gravierenden Veränderung. In einer säkularen Welt, in der der Gottesglaube insgesamt in Frage gestellt wird, muss die Kirche eine echte Wende hinlegen. Sie sollte das Christsein als Weg anbieten, nicht mehr als Erbe. Anstelle des alten Monopols steht die Kirche heute in Konkurrenz der Hoffnungen, Glaube ist keine Konvention mehr, sondern „prophetisches Zeichen“. In der Zeit der Postvolkskirche wird bisheriges pastorales Handeln komplett in Frage gestellt. Neue Haltungen sind gefragt: Kirche bietet Gastfreundschaft mit ihren Angeboten, sie kann spontan angefragt und besucht werden. Menschen dürfen anonym bleiben. Ganz auf der Linie des Paderborner Zukunftsbilds geht es um die Orientierung an der eigenen großen Aufgabe, nicht um den Selbsterhalt: Wozu bist du da, Kirche von Paderborn?
Das anschließende, nachdenkliche Gespräch fand letztlich den Weg vom Selbstmitleid zur gegenseitigen Ermutigung. Konkrete Initiativen wie eine Dorfapp, in der man sich nicht nur über Termine austauschen kann oder ein Food-Sharing-Projekt, wo Essen über einen Fair-Teiler an Bedürftige geteilt wird, ein Pfarrgemeinderat, der sich auf den Weg macht und per Fragebogen nach Wünschen und Bedürfnissen der Dorfbewohner fragt sowie das Café „Ansprech-Bar“ mit bereiten Gesprächspartnern, die Action-Box der Caritas oder Paarsegnungen am Valentinstag. Diese und weitere Schritte, die jeder einzelne für sich fest notiert hat, belegen, dass Christen ihren Glauben in die Tat umsetzen. Ein Weg, der Mut erfordert, denn heute setzen wir Christen uns mit unserer Botschaft und unserem Handeln existenziell aus.
Dieser Tag soll wiederholt werden. Mehr als in diesem Jahr sollen Menschen aus der Dorfgesellschaft angesprochen und eingeladen werden.