Europa braucht Werte und Begeisterung
Direktor Msgr. Uwe Wischkony konnte im Schützenhof Paderborn vor etwa 400 Besuchern zahlreiche Ehrengäste aus Kirche, Politik, Landwirtschaft und Gesellschaft begrüßen. Das Thema liege uns „in den Knochen“, aber heute müsse sich Europa neu bewähren und neu aufstellen.
Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes NRW, griff diesen Faden auf. „Nach der Europa-Wahl muss die überfällige Reform kommen.“ Man müsse die Scheu überwinden, über eine neue Verfassung für die EU zu diskutieren, forderte der 70jährige Quereinsteiger.
Zum Glück führte die hohe Wahlbeteiligung dazu, dass europafreundliche Parteien weiterhin die Mehrheit haben. Illiberale Kräfte seien jedoch auf dem Vormarsch. Als Jurist und ehemaliger Anwalt Helmut Kohls nehme er voll Sorge war, dass in Osteuropa die Rechtsstaatlichkeit bedroht wird. Die EU sei viel mehr als ein Binnenmarkt, gemeinsame Werte wie Demokratie und Freizeit bilden die unverhandelbare Grundlage. „Was tun wir mit Staaten, die diese Werte wieder aufgeben?“ Es dürfe nicht sein, dass Richter eines EU-Landes, die sich für diese Werte einsetzen, Zivilcourage benötigen. „Das ist eine Schande für die ganze Union“, kommentierte der Minister deutlich.
Im Blick auf den Brexit ließ er es ebenso wenig an Klarheit vermissen: „Der beste Brexit ist der, der nicht kommt.“ Nachdem nur knapp 100.000 Mitglieder der Konservativen den neuen Premier Boris Johnson gewählt haben, wünsche er den Briten mit Johnsons eigenen Worten: „Take back control.“
Der Kern der europäischen Krise sei in unserer Geschichtsvergessenheit begründet, zitierte der Sprecher der Funke Familien Gruppe, zu der auch die WAZ-Gruppe gehört, Altkanzler Kohl. „Wer an Europa zweifele, müsse nur mal einen Soldatenfriedhof besuchen“, beendete Holthoff-Pförtner mit einem markanten Zitat Junckers seinen bemerkenswerten Vortrag.
Erzbischof Hans Josef Becker nahm diesen Faden auf. Die Gründerväter der EU sahen in Europa zunächst eine Staatengemeinschaft, die auf gemeinsamen Werten basiere. Wenn wir heute wieder mehr über Freiheit, Achtung der Menschenwürde, Toleranz für Minderheiten sowie Einsatz für Hilfsbedürftige sprechen würden als über Bürokratisierung, entstünde neuer Schwung für Europa.
Drei Begriffe stellte der Erzbischof dazu in den Mittelpunkt seiner Ausführungen: Durch Begegnung und Dialog könne Verständigung und Kompromissfähigkeit wachsen. Wichtig dabei sei das Prinzip der Subsidiarität: Probleme werden auf der Ebene gelöst, wo sie entstanden sind. Wenn wir das in Europa mehr umsetzen können, könne Verständnis, Freundschaft und Frieden wachsen, schloss der Erzbischof seinen mit selbstkritischen Tönen versehenen Beitrag.
Die jungen Schlussredner Paula Steinhagen und Marius Rogge traten motiviert und selbstbewusst auf. Der Brakeler mahnte Kompromissbereitschaft sowie den Blick auf das Positive: „Wir kennen nur Frieden und Wohlstand.“ Seine Grundkurskollegin aus dem nordhessischen Edermünde unterstrich die vielen Vorteile der Staatengemeinschaft, die in der jungen Generation als selbstverständlich hingenommen würden: gemeinsame Währung, freier Binnenmarkt, freies Wohnen und Leben. Beide ermahnten ihre eigene Generation, sich politisch zu engagieren. Die Politiker jedoch müssten das Thema näher an die Gesellschaft herantragen.