"Der Halter hat die erste Verantwortung!" - Angeregte Diskussion zur Tierethik
Über 50 Landwirte von jung bis alt sowie Matthias Goeken, Landtagsabgeordneter des Kreises Höxter zusammen mit seinem Vorgänger, Hubertus Fehring, kamen auf Einladung des Freundeskreises der Landvolkshochschule, um darüber zu diskutieren, welchen Beitrag die Tierhalter für das Wohlbefinden der Nutztiere leisten können.
Zwei kompetente Gesprächspartner gaben wertvolle Impulse zu Beginn der Veranstaltung: Dr. Jens Tschachtschal, Kreisveterinär in Höxter, hob drei Punkte hervor:
- Die Haltungssysteme müssen kritisch unter die Lupe genommen werden. Die Gesetzesvorgaben entsprächen dabei nicht dem, was dem Tier gut tut, sondern seine ein Kompromiss dafür, was unsere Gesellschaft für das Wohlbefinden des Tieres leisten möchte, so der Veterinär.
- Die Züchtung werde aktuell gesellschaftlich sehr hinterfragt. Das Schreddern männlicher Küken am ersten Tag nach dem Schlüpfen sei nicht verständlich. Wenn Sauen so viele Ferkeln werfen, dass ihre Zitzen nicht ausreichen und wenn die Milchleistung derart hochgefahren wird, dass die Lebensdauer deutlich verkürzt wird, dann können viele Verbraucher dieses nicht nachvollziehen.
- Der wichtigste Punkt für Tschachtschal aber ist das Verhalten des Halters selbst. Sein Wissen, Können und Handeln in bezug auf das Stallklima, die Fütterung, den Umgang mit kranken Tieren sowie die Selbstauswertung der eigenen Daten seien entscheidend für das Tierwohl. Hier kann auch ohne großen finanziellen Aufwand viel getan werden, warb der Amtsvertreter für eine stetige Weiterbildung der Landwirte.
Dr. Bernhard Schlindwein, stellvertretender Geschäftsführer des WLV, konstatierte zunächst das schwierige gesellschaftliche Klima für die Landwirtschaft: Viele Verbraucher hätten den Eindruck, dass es viele Missstände in der heimischen Landwirtschaft gäbe. Sie fordern Tierwohl, wären andererseits aber deutlich weniger bereit, auch mehr Geld dafür auszugeben.
Der WLV habe verschiedene Initiativen gestartet, um "Tiergerechtigkeit" zu erhöhen und die Akzeptanz in der Gesellschaft zu steigern. Schlindwein hob die Initiative Tierwohl hervor, der es erstmals gelingt, Landwirte und den Lebensmitteleinzelhandel an einen Tisch zu holen. Es wäre aber unheimlich schwer, den Handeln selbst von einer kleinen Preiserhöhung zu überzeugen, so der Münsteraner. Dabei nutzen viele Händler Tierwohlmaßnahmen für ihr Marketing: "Rewe zahlt den Tiermästern 18 Euro pro Ringelschwanz", zitierte er eine Zeitungsüberschrift.
Im Ringelschwanzprojekt des versuchen beiden Verbände in NRW (WLV und RLV) die Bauern zum Kupierverzicht zu bewegen, weil die Gesellschaft dies erwarte. Aber bis dahin sei es noch ein sehr weiter Weg.
Schlindwein zog ein Zwischenfazit: Tierwohl und Tiergesundheit gewönnen zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung. Dem müsse sich der Berufsstand stellen. Dabei sei Eigeninitiative wertvoller als das Ordnungsrecht gesetzlicher Vorgaben. Bei allem müsse aber die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Betriebe gewährleistet sein. Gegebenenfalls müsse mit staatlicher Unterstützung das, was diese Gesellschaft für Tierwohl zu zahlen bereit ist, der Marktpreis aber nicht hergebe, aufgewogen werden. Eine gute Kommunikationsstrategie sei bei allem Handeln unerlässlich.
In der Diskussion betonten einige Landwirte, dass manche mediale Diskussion am Problem vorbei gehen, weil die Sachkenntnis fehle oder Emotionen einseitig geschürt würden. Andere brachten ihre Verwunderung zum Ausdruck, dass es in einigen Nachbarländern gelänge, für Lebensmittel höhere Preise zu erzielen als hier und stellten die Frage, warum man beim Einzelhandel nicht bessere Preise erzielen könne. Auch selbstkritische Stimmen fehlten nicht: "Wir sollten nicht nur auf die Verbraucher oder den Handel schauen, sondern zunächst selbst dafür sorgen, dass wir als Halter Tierwohl umsetzen," so ein erfahrener Landwirt.
Schlindwein und Tschachtschal waren sich abschließend einig: "In der Nutztierhaltung liegt entlang der Wertschöpfungskette die Verantwortung zunächst beim Halter, dann bei den anderen Beteiligten."