"Am Lieblingsort mein Traumberuf" - Monika Porrmann verlässt nach 35 Jahren Hardehausen in den Ruhestand
Monika Porrmann wird nach 35 Jahren Hardehausen verlassen, am 01. Mai beginnt sie einen neuen Lebensabschnitt, nämlich ihre Rentenphase. Aus diesem Grund haben wir sie nach ihren wichtigsten Erfahrungen in Hardehausen befragt.
Monika, 1986 hast Du zunächst im Jugendhaus Deine Arbeit in Hardehausen begonnen. Was waren Deine wichtigsten Herausforderungen und schönsten Erlebnisse, die Dir aus den 17 Jahren Jugendarbeit in Erinnerung geblieben sind?
Als eine der wichtigsten Erfahrungen fällt mir zuerst ein, dass wertschätzende Teamarbeit zwischen Priestern und Laien schon im Vorgespräch spürbar wurde. Die inhaltliche Arbeit mit den vielen suchenden, oft stark pubertierenden, meist auch energiegeladenen Jugendlichen hat mich immer herausgefordert und mir das Gefühl vermittelt, etwas geben zu können. Im Laufe der Jahre konnte ich aber auch viele junge, engagierte Ehrenamtliche erleben und begleiten, die ich später im Berufsalltag in unterschiedlichen Funktionen wieder getroffen habe. Dadurch sind so manche persönliche Kontakte im Bistum entstanden, das mir zu Beginn meiner Tätigkeit als bistumsfremde Zugereiste schon schwer zugänglich war. Hier in Hardehausen durfte ich tolle Direktoren erleben, die mir spirituell Orientierung gegeben haben. Wertvoll war über die Arbeit im Jugendhaus hinaus auch der mehrjährige Lehrauftrag an der Katholischen Hochschule in Paderborn. Zusammen mit Georg Pahlke haben wir dort mit Studierenden ihre Berufsperspektiven reflektiert.
Am beeindruckendsten von allen Seminaren und Veranstaltungen waren für mich die Hardehauser Sommer ab 1988, mit jeweils ca.150 Teilnehmenden, schwerpunktmäßig Familien mit Kindern im jugendlichen Alter. Allein das Team bestand aus 25 Personen, Haupt- wie Ehrenamtliche. 14 Tage lang zusammenleben, Information austauschen, neue Begegnungen ausprobieren, Kreativität wagen, Alltagsaufgaben für die Gemeinschaft übernehmen, mit neuen Rollen experimentieren– eben in einer großen Gemeinschaft Leben und Glauben synergetisch zu praktizieren. Zwei Wochen Freiraum, um das gelingende Miteinander der Generationen, gegenseitige Bereicherung und Verständnis zwischen Jugendlichen und Eltern auch in dieser schwierigen Lebensphase auszuprobieren. Eine ganz spezielle Herausforderung für mich war meine letzte Freizeit 1990, denn ich war hochschwanger mit meinem ersten Kind, der Direktor des Jugendhauses musste kurzfristig ins Krankenhaus – und wir haben diese Mammutveranstaltung trotzdem durchgeführt. Manchmal ist es schon erstaunlich, welche Energiereserven in einem schlummern! Es war nie langweilig.
2001 hast Du dann die Arbeit in der Landvolkshochschule begonnen, zunächst mit einer halben Stelle, zwei Jahre später dann komplett. Dieser Wechsel ist sicher sehr interessant für Dich gewesen, sei es im Blick auf die neuen Teilnehmenden, sei es im Blick auf die veränderte „Unternehmenskultur“.
Die erste Erinnerung, die an diese Zeit aufploppt, ist der gefühlte „Dauersprint“ durch den Kreuzgang; wie oft bin ich zwischen beiden Büros hin und hergelaufen, denn ich wollte in beiden Häusern präsent sein. Mir war wichtig, gegenseitiges Verständnis zu wecken. Es gab so manche tradierte Konkurrenz zwischen beiden Einrichtungen, wie häufiger bei Geschwistern, die nahe miteinander leben. Mir war von Anfang an klar, dass beide Einrichtungen auf ihre unterschiedliche Weise sehr segensreich wirken.
So gab es in der Landvolkshochschule immer schon kontinuierliche, lebensbegleitende Arbeit mit Teilnehmenden, die über Jahre hinweg dorthin kommen, in der Landvolkshochschule so etwas wie Heimat gefunden haben. Im Jugendhaus kommen viele nur einmal oder für eine kurze Lebensspanne – aber auch das bleibt den Meisten lebenslang in Erinnerung, wie ich es in vielen Begegnungen deutlich herausgehört habe.
In der Landvolkshochschule musste ich mich an die deutlich höhere Kursfrequenz gewöhnen. Auch gab es - damals mehr als heute - viele Seminare, in denen das ganze Team mitgemacht hat, z. B. in Frauen-, Familien- und Seniorenkurse. Legendär waren unsere Auftritte bei den Abschlussabenden der Wintertagungen, der Dreikönigstagung, beim Landfrauenkarneval etc. Wir waren im Team so miteinander vertraut, dass wir uns auch gemeinsam verkleiden, Klamauk machen, gemeinsam lachen und uns selbst ironisieren konnten.
Über 20 Jahre bist Du als Dozentin in der Landvolkshochschule engagiert gewesen. Welche zentralen Entwicklungen in der Kursarbeit hast Du für Dich wahrgenommen?
Zunächst gab es im Team eine Entwicklung, die mir gutgetan hat: Wir haben uns von einem (teils distanzierten) Lehrerkollegium zu einem vertrauten, gemeinsam suchenden Team entwickelt, in dem wir uns gegenseitig unvoreingenommen unterstützen, beraten und begleiten konnten.
In den Seminaren ließ sich eine Entwicklung feststellen von der Vermittlung von Sachwissen hin zur Reflektion des eigenen Lebens, der eigenen Persönlichkeit, der Arbeit in Gremien, methodisch gesehen auch eine Entwicklung vom Vortrag zu interaktivem und selbst entdeckenden Arbeiten. Das Bereichernde an dieser Erfahrung: Ich war dabei als Mensch, Person, selbst Suchende gefragt, nicht nur als Wissensvermittlerin.
Mir war eine persönliche Verbindung zu den Teilnehmenden immer wichtig, aber ebenso eine klare Abgrenzung zum privaten Leben. Das war zu Zeiten von Dr. Maria Jürgens noch anders, sie hat sich „mit Haut und Haar“ der Arbeit in der Landvolkshochschule verschrieben. Bei mir kam die Familie zwar oft zu kurz, aber ich durfte, unterstützt von meinem wunderbaren und lebenspraktischen Mann, beides leben. Für mich wurde sehr deutlich, welche Chancen heute berufstätige Frauen haben. Und meine Nachfolgerin wird auch ihren eigenen Weg finden, Beruf und Privatleben sicherlich ganz anders gestalten.
Ich habe die gesellschaftliche Veränderung der Lebensmöglichkeiten von Frauen selbst stark erlebt und konnte diese Veränderungen auch immer wieder mit Frauen thematisieren. In den ersten Jahren fanden die Kurse vorwiegend in der Woche statt, da viele Frauen nach der intensiven Kinderphase neue Herausforderungen, bildungshungrig mit anderen Frauen Impulse für ihre Lebensgestaltung suchten. Heute haben sich die Frauenseminare schwerpunktmäßig auf die Wochenenden verlagert, weil nahezu alle Frauen berufstätig sind. Themen und Erwartungshaltung der Frauen haben sich ebenfalls entsprechend der gesellschaftlichen, vor allem auch der digitalen Entwicklung deutlich gewandelt. Es ist schon beeindruckend, wie selbstbewusst Frauen heute Familie, Verein und Gesellschaft mitgestalten, sich dazu das notwendige Knowhow aneignen, mit einer wachsenden inneren Freiheit aktiv mitmischen.
Als stellvertretende Direktorin der Landvolkshochschule (seit 2006) hast Du die Entwicklungen in Hardehausen maßgeblich mit beeinflusst. Aufgrund Deiner langen Geschichte in beiden Häusern hast Du eine besondere Perspektive, wenn Du auf das Zusammenwachsen der beiden Häuser siehst. Was liegt Dir daran für die Zukunft besonders am Herzen?
Hardehausen möge immer mehr eins werden, ein gemeinsamer Ort von Kirche für Menschen aller Generationen. Ich wünsche allen Mitarbeitenden, dass sie ihre kollegiale Wertschätzung füreinander über ihre jeweilige Einrichtung hinaus weiterentwickeln können. Die alten Traditionen dieses religiösen Ortes sollten aufrecht erhalten bleiben, aber neue Formen mögen gefunden werden. Und ich freue mich auf das optisch neue Gesicht, wenn der Umbau fertig sein wird.
Der Ort Hardehausen selbst ist Dir sehr wichtig. Welchen Gedanken mit Blick auf diesen klösterlichen Ort möchtest Du unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?
Hardehausen ist für mich ein Ort der Nicht-Alltäglichkeit, mit dem Zauber von tradierter Geschichte und Aufbruchsstimmung, mit der Freiheit in der Begegnung jenseits des Alltags, mit einer Offenheit gegenüber allen, Teilnehmenden und Mitarbeitenden. Hardehausen ist für mich eine Erfahrung von Kirche, die sich in vielen Jahrhunderten sehr verändert hat, aber immer von Menschen gestaltet wurde, die mit Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft geschaut haben. Jeder, der hier für kurze oder längere Zeit war, ist ein Teil von Hardehausen – und umgekehrt.
Durch die Corona-Pandemie hast Du zum Abschluss Deiner beruflichen Laufbahn noch einmal ganz neue Erfahrungen gesammelt. Was ist Dir dabei besonders schwergefallen? Was möchtest Du aber auch in Deinen neuen Lebensabschnitt mitnehmen?
Schwergefallen ist mir der Verlust der persönlichen Nähe zu den Teilnehmenden, der Frust, geplante Kurse immer wieder verschieben oder ersatzlos absagen zu müssen. Und gleichzeitig war die ganze Zeit zu spüren, dass ein neuer Erfindungsgeist aufbricht. Es war ermutigend zu erleben, wie gemeinsam kreativ nach neuen Wegen gesucht wurde. Die Pandemie hat uns spürbar herausgefordert und auch gezeigt, dass wir, wenn wir gemeinsam die Ärmel hochkrempeln, auch Neues erreichen können. Wir haben uns digital in die Gegenwart katapultiert. In meinen eigenen, neuen Lebensabschnitt nehme ich viel Mut mit, meine bisher zurückhaltende Technikaffinität weiter auszubauen.
Zum guten Schluss:
Ich bin so dankbar für all die Jahre, in denen ich – mit ganz wenigen Ausnahmen – immer gerne zur Arbeit gekommen bin. Mein allererster Eindruck von Hardehausen hat sich durchgängig bestätigt: das war und ist mein Lebensort, hierher bin ich nach einigen Irrungen und Wirrungen geführt und glücklich geworden. Ich darf in der wärmenden Erinnerung gehen, nahezu 35 Jahre meinen Traumberuf gelebt zu haben. Die Verbundenheit zu den Kolleg*innen, zu den externen Referierenden und zu so vielen Teilnehmenden wird noch lange nachwirken. Und Hardehausen ist nur 4 km von meinem Wohnort entfernt!
Trotz radikaler Aufräumaktion nehme ich zudem noch viele Texte und Materialien mit – in 20 Jahren Bildungstätigkeit sammelt sich so Manches an. Zum Gottesdienst oder zum Kaffee komme ich sicher vorbei, gern auch mal zu dem ein oder anderen Vortrag. Den neuen Kolleg*innen und zukünftigen Gästen wünsche ich, dass sie sich immer wieder auf neue Begegnungen, Themen und Herausforderungen freuen dürfen.
Mit meiner Vision von einem großen Abschiedsfest hat es leider nicht klappen können. Trotzdem danke ich für den herzlichen Abschied, die vielen guten Wünsche und stärkenden Würdigungen, die ich in den letzten Wochen in unzähligen Gesprächen, Emails und Briefen erhalten habe.
Ich will nicht behaupten, dass es mir leichtfällt, zu gehen, denn Hardehausen war immer mehr als ein „Job“, das hier war 35 Jahre lang mein Leben. Aber mir und allen, die weiterhin hier wirken und arbeiten dürfen, wünsche ich begründete Zuversicht, denn uns allen ist ein Leben in Fülle verheißen, egal in welchem Alter! Das Zitat eines alten Liedes über Hardehausen möge sich immer wieder bewahrheiten: „Dort ist ein Ort, wo des Lebens Fülle wohnt.“