"Die Ukraine kämpft für unseren Lebensstil" - EU-Kommissar Hahn spricht auf dem Tag des Landvolks
Erstmals begrüßte Barbara Leufgen als neue Direktorin die Gäste der diesjährigen Kundgebung. Nach zwei Jahren Abstinenz freute sie sich sichtlich, Menschen des ländlichen Raums sowie Netzwerkpartner wieder live begrüßen zu können. Sie dankte allen, die sich ehren- und hauptamtlich für die Entwicklung der ländlichen Regionen einsetzen, insbesondere den Beraterinnen und Beratern der ländlichen Familienberatung.
"Danke den Beraterinnen und Beratern der ländlichen Familienberatung!"
Dr. Johannes Hahn, vom ehemaligen Europaabgeordneten Elmar Brok an die Pader geholt, kam in seiner Festrede gleich auf den Punkt: Der Krieg in der Ukraine ist ein Krieg von Putin, kein Krieg der Russen gegen die Ukraine. Es gelte, die Verantwortung klar zu benennen. Der EU-Kommissar griff das Thema auf "Wie geht´s weiter mit dir, Europa?". "Früher hätte man bei diesen Herausforderungen gefragt, ob Europa nicht daran zerbreche. Heute fragt man, wie es diese Herausforderungen managen kann." Das sei ein deutlicher Fortschritt, betonte der Gast aus Österreich.
Europa habe nur 5% der Weltbevölkerung, trage jedoch mit 20% zur Wirtschaftskraft weltweit bei. Diese Macht wird jedoch in dem Maße abnehmen, wie die anderen Weltregionen zulegen. Man müsse sich hier beeilen, um passende Kooperationen verhandeln, so lange die Wirtschaftsmacht noch in diesem Maße vorhanden ist.
Auch er rief dazu auf, Abhängigkeiten zu vermeiden. Es braucht - nicht nur - neue Energiepartnerschaften, Lieferanten und Kunden müssten weiter diversifiziert werden. Doch zugleich ist Hahn optimistisch: "Wir lösen unsere Energieprobleme schneller als dass Herr Putin neue Kunden bekommt." Das könne jedoch nur gelingen, wenn technologieneutral und in Denkfreiheit Lösungen gesucht werden.
"Die EU kämpft auch für unseren european way of life."
"Wir als EU stehen für Werte wie Demokratie und Freiheit. Wir werden die Ukraine - auch finanziell - so lange wie nötig unterstützen. Denn die Ukraine kämpft auch für unseren european ay of life." Hahn hält diesen Krieg für einen Krieg der unterschiedlichen Gesellschaftsmodelle: auf unserer Seite Menschenwürde und Gewaltenteilung, auf der anderen Seite Autokratie und Turbokapitalismus. Bedauerlicherweise leben aktuell mehr Menschen weltweit in autokratischen Ländern als in demokratischen Staaten.
Der Kampf für dieses Europa der Werte lohne sich auf jeden Fall, denn - der Kommissar schloss mit einem Zitat Konrad Adenauers: "Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen, sie wurde eine Hoffnung für viele, sie ist eine Notwendigkeit für alle."
„Wenn auch das Leitmotiv unseres Liborifestes in diesem Jahr „aufatmen“ heißt, so leben wir doch weiter in schwierigen und gefährlichen Zeiten. Was die Zukunft bringt, wissen wir alle nicht“, betonte Erzbischof Hans-Josef Becker in seinem Grußwort. „Wir sehen heute, wie trügerisch die Hoffnungen in Europa geworden sind, die Hoffnungen auf den ‚ewigen Frieden‘ ... oder auf das ‚Ende der Geschichte‘ .... Wir sehen, wie verletzlich dieser Friede auch bei uns ist und eigentlich auch immer war. Die Geschehnisse nicht erst seit dem 24. Februar dieses Jahres haben uns gezeigt, dass das, was wir für unverbrüchlich und selbstverständlich hielten, keinesfalls auch so unverbrüchlich und selbstverständlich war und ist. Das wird auch in Zukunft so sein.“ Machtmissbrauch sei ein Grundübel dieser Tage, der besonders die Kleinen und Schwachen treffe. Das gelte für Europa, aber auch für unsere Kirche, so der Erzbischof.
„Die wahre Macht ist der Dienst.“
Wirklicher Friede erwachse aus einem guten Miteinander der Völker, Religionen und Gemeinschaften, führte Erzbischof Hans-Josef Becker weiter aus. Das lehre nicht zuletzt die Freundschaft zwischen Le Mans und Paderborn. „Der Friede kommt immer auch aus dem Respekt vor der Andersheit des Mitmenschen, die für uns im christlichen Glauben und Bild vom Menschen wurzelt." Er schloss mit einem Gedanken von Papst Franziskus: "Die wahre Macht ist der Dienst."
Im Namen des Kuratoriums bedankte sich Schlussrednerin Gaby Beckmann für die inspirierenden Reden. Oft machen ihr die vielen schlechten Nachrichten Sorgen und Probleme. Doch wenn Politiker zusammenstehen, nicht nur für ein Foto, sondern für Werte, für Frieden und Freiheit, könne sie hoffnungsvoll bleiben. Die EU habe neu an Attraktivität gewonnen, weil sie wieder als Gemeinschaft zusammen steht. Gemeinschaft bedeute Arbeit, bedeute, das Gemeinwohl in den Vordergrund zu stellen. Selbstkritisch merkte sie an, dass dies nicht nur im Großen gelte, sondern ebenso in den Dörfern. Am Dorfschild dürfe das nicht aufhören. Denn alles ist so eng miteinander verzahnt. Der Chiparbeiter in China ist für mich ebenso wichtig wie der Bäcker um die Ecke, denn beide produzieren, was ich täglich brauche.
"Nur gemeinsam hat Europa eine Chance."
Auch die heimische Landwirtschaft solle diese Krise mutig nutzen, so die Vorsitzende der Landfrauen im Kreis Höxter: "Auch unsere Landwirtschaft braucht Artenvielfalt." Im Blick auf die Zukunft Europas zitierte Beckmann das Motto des deutschen Landfrauenverbands: "Das Wir im Blick." Nur gemeinsam habe Europa eine Chance.